Standard
"Pflege von Bewohnern mit Harnwegsinfektionen" |
Definition: |
- Bei Harnwegsinfektionen
handelt es sich um bakterielle Entzündungen der
ableitenden Harnwege. Harnwegsinfektionen werden
unterteilt in:
- Urethritis, also eine
Entzündung der Harnröhrenschleimhaut, ggf. auch
der tieferen Schichten,
- Zystitis, also eine
Entzündung der Blasenschleimhaut, in schweren
Fällen auch der gesamten Blasenwand
- Pyelonephritis, also eine
bakterielle Infektion der oberen Harnwege mit
Entzündung des Nierenzwischengewebes sowie des
Nierenbeckenkelchsystems.
- Außerdem gibt es das
Symptombild einer Reizblase, das durch
wiederkehrende und teils heftige Beschwerden
gekennzeichnet ist. Allerdings gibt es hier keine
entsprechenden Befunde wie etwa der
Bakteriennachweis im Urin. Als Auslöser werden
psychosomatische Ursachen angenommen.
- Eine Urosepsis ist eine
lebensgefährliche Komplikation, die eintritt, wenn
Keime aus dem Harnsystem in die Blutbahn gelangen
und somit zu einer Blutvergiftung führen.
- Es wird zudem unterschieden
zwischen einer komplizierten und einer
unkomplizierten Infektion.
- Bei einer komplizierten
Infektion wird der Harnabfluss durch Steine oder
eine Prostatavergrößerung im Bereich der
Harnleiter gestört. Dieses ist mitursächlich für
die Infektion. Ohne eine (operative) Beseitigung
dieser Hindernisse wird es immer wieder zu
Harnwegsinfektionen kommen.
- Bei einer unkomplizierten
Infektion gibt es keine derartigen Hindernisse.
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Grundsätze: |
- Eine Zystitis wird leicht mit
einer (harmlosen) Reizblase verwechselt, da viele
Symptome ähnlich sind. Im Zweifelsfalle gehen wir
aber stets von einer Infektion aus und rufen
frühzeitig einen Arzt.
- Viele Bewohner setzen die
Antibiotika nach Abklingen der Beschwerden
eigenmächtig ab. Dieses erhöht die
Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls, fördert das
Auftreten von Resistenzen und ermöglicht das
Verbreiten resistenter Bakterienstämme in unserer
Einrichtung. Wir versuchen im Rahmen unserer
Möglichkeiten, dieses gefährliche Verhalten zu
verhindern.
- Die häufig eingesetzten
Streifentests bieten nur einen Anhaltspunkt und
ersetzen nicht eine laborchemische Untersuchung.
Wenn etwa Leukozyten nachgewiesen wurden, ist immer
eine Urinkultur notwendig.
- Bei Senioren verläuft eine
Harnwegsinfektion häufig "stumm". Die
charakteristischen Symptome treten nicht oder nur
abgeschwächt auf. Demente Bewohner können sich zudem
häufig nicht verständlich machen. Folglich ist es
notwendig, das Verhalten der Bewohner sehr
aufmerksam zu beobachten. Es ist besser, eine
unnötige ärztliche Untersuchung durchzuführen als
eine Infektion zu übersehen.
- Eine rasche Entdeckung der
Infektion und eine korrekte Therapie sind
entscheidend für den Erfolg. Bei einer frühzeitigen
Diagnose reicht zumeist eine einmalige oder
dreitägige Antibiotikatherapie. Steigen die Keime
bis in die Nieren auf, kann die Behandlung 12 und
mehr Wochen dauern. Insbesondere für alte Menschen
wäre dieses eine enorme körperliche Belastung und
zusätzlich besteht die Gefahr von Nierenschäden.
- Eine sorgfältige Intimhygiene
ist immens wichtig. Wenn Bewohner sich selbst in der
Intimregion waschen, wir aber dabei Hygienemängel
vermuten, sprechen wir diese Defizite taktvoll aber
deutlich an.
- Die geltenden
Hygienerichtlinien werden präzise umgesetzt, etwa
beim Kontakt mit Urin.
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Ziele: |
- Der Infektionserreger soll
beseitigt werden.
- Komplikationen sollen
vermieden werden, insbesondere ein weiteres
Aufsteigen der Infektion. Vor allem darf es nicht
zum Nierenabszess oder zur Blutvergiftung kommen.
Bei Männern müssen eine Prostatitis (Entzündung der
Vorsteherdrüse) sowie eine Epididymitis (Entzündung
der Nebenhoden) verhindert werden.
- Der Bewohner soll alle
notwendigen Maßnahmen kennen, um die aktuelle
Infektion zu überwinden und neue Infektionen zu
vermeiden.
- Ggf. vorhandene Hygienemängel
bei der Intimpflege werden beseitigt.
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Vorbereitung: |
Symptome |
Wir achten auf
Symptome, die auf eine Harnwegsinfektion deuten:
- Schmerzen oder Brennen beim
Wasserlassen
- ständiger Harndrang und
häufiges Wasserlassen (mitunter alle 10 bis 20
Minuten) mit dann allerdings nur geringen Harnmengen
- unwillkürlicher Abgang von
Harntropfen
- Beschwerden im Blasenbereich
und in der Umgebung der Harnröhre
- mitunter Rückenschmerzen
- mitunter moderates Fieber
(viele Infektionen verlaufen fieberfrei)
- bräunliche Eintrübung des
Urins. Ggf. eitrige Beimengung und übler Geruch
- Kraftlosigkeit
- allgemeines Unwohlsein
- Unruhe und Desorientierung
Wir achten zudem auf Symptome, die
speziell für eine Pyelonephritis sprechen:
- Schüttelfrost
- hohes Fieber
- Hypertonie
- (ggf. einseitige) Beschwerden
oder Druckgefühl im Nierenbereich
- Schmerzen beim Beklopfen des
Nierenlagers im Rücken
- Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
Ein plötzlich auftretendes hohes
Fieber ist ein Anzeichen, dass sich die Infektion
ausgedehnt hat. |
weitere Maßnahmen |
- Der Standard
"Zystitisprophylaxe" wird sorgfältig umgesetzt.
- Unsere Mitarbeiter werden
regelmäßig fortgebildet, insbesondere auch zum
Krankheitsbild der Harnwegsinfektionen.
- Wir halten stets aktuelle
Fachliteratur bereit.
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Durchführung: |
Informationssammlung |
Wir stellen
insbesondere für den Arzt alle für die Infektion
relevanten Informationen zusammen. Etwa:
- Wann wurde die Infektion
festgestellt?
- Wie oft litt der Bewohner in
den Vorjahren an einer ähnlichen Infektion?
- Wie wurden die letzten
Infektionen therapiert? Wie erfolgreich war die
Therapie?
- Welche Medikamente nimmt der
Bewohner ein, deren Nebenwirkungen relevant sein
könnten?
- Nimmt der Bewohner
eigenständig Hausmittel ein, wie etwa Blasen- oder
Nierentees?
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Ursachenforschung |
Wir versuchen die
Ursachen zu finden, die die Infektion (mit)ausgelöst
haben, um in Zukunft die Risiken zu reduzieren:
- War der Bewohner Kälte
ausgesetzt? Saß der Bewohner über einen längeren
Zeitraum auf einer kalten Oberfläche? War der
Bewohner Nässe ausgesetzt?
- War der Bewohner in den
letzten Tagen ungewöhnlichen Stresssituationen
ausgesetzt?
- Gibt es bekannte
Hygienemängel (z.B. waschen vom Anus zur Harnröhre)?
- Leidet der Bewohner unter
einer Reizblase?
- Leidet der Bewohner unter
Diabetes Mellitus?
- Mangelnde Händedesinfektion
beim Pflegepersonal (Stichwort: nosokomiale
Infektion)
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Diagnostik per
Streifenschnelltest |
- Wir öffnen das Röhrchen mit
den Teststreifen und entnehmen einen Teststreifen.
Danach wird das Röhrchen wieder fest verschlossen.
- Wir stecken den Streifen in
einen Becher mit frischem (!) Urin und warten die
vom Hersteller vorgegebene Zeitspanne ab.
- Wir vergleichen die
Verfärbungen des Streifens unter weißem Licht (kein
Neonlicht!) mit den Vergleichschablonen des
Herstellers.
- Wir ermitteln folgende Werte:
- pH-Wert: Wenn der Wert
alkalischer als normal ist, deutet dieses auf
eine Infektion.
- Nitrit: Der Nachweis von
Nitrit ist ein Hinweis auf vermehrte
Bakterienkonzentration.
- Eiweiß: Dieser Wert ist
ein Hinweis auf eine eventuelle Nierenschädigung
- Bilirubin und dessen
Abbauprodukt Urobilinogen: Ein Indikator für
eine Gallenblasen- oder Lebererkrankung.
- Erythrozyten (rote
Blutkörperchen) bzw. Hämoglobin (roter
Blutfarbstoff). Ein Vorkommen deutet auf eine
Zystitis oder eine Pyelonephritis.
- Leukozyten: Anhand der
Farbintensität lässt sich die Konzentration der
weißen Blutkörperchen grob abschätzen.
- Ketone: ein Indikator für
Diabetes
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Mithilfe bei der
ärztlichen Therapie (nach genauer Rücksprache mit dem
Arzt) |
- Wir sorgen dafür, dass
verschriebene Medikamente entsprechend den
ärztlichen Vorgaben genommen werden. Dies gilt
insbesondere für die konsequente Einnahme von
Antibiotika über den gesamten vorgesehenen Zeitraum.
- Wir achten auf Nebenwirkungen
der Antibiotikagabe:
- Diarrhöe
- Soorinfektionen im
(weiblichen) Intimbereich
- Übelkeit und Erbrechen
- allergische Reaktionen
- Bei krampfartigen Schmerzen
bitten wir um die Verschreibung von Spasmolytika.
- Bei einer Pyelonephritis
bitten wir um eine Kontrolle, ob sich Steine oder
Verengungen in den Harnwegen befinden. Diese können
ggf. operativ beseitigt werden.
- Wir führen Wärmeanwendungen
durch, also etwa das mehrmals tägliche Auflegen
einer Wärmflasche auf den Unterleib oder Fußbäder.
(Standard "Wärmeanwendungen" beachten, insbesondere
die Kontraindikationen)
- Die Körpertemperatur wird
mindestens dreimal am Tag ermittelt.
- Die Harnausscheidung wird
genau überprüft. Wichtig ist insbesondere die Menge
und Beschaffenheit des Urins, aber auch die Frequenz
der Harnausscheidungen. Wir fragen zudem nach dem
Schmerzempfinden des Bewohners.
- Bei wiederkehrenden
Infektionen kann es notwendig sein, Frauen zwecks
Bestimmung des Erregers per Urinprobe einmalig zu
katheterisieren.
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Pflegemaßnahmen |
- Wir beraten den Bewohner
hinsichtlich seiner gesundheitlichen Lage. Wir
machen ihn insbesondere darauf aufmerksam, welche
Folgen eine nachlässige Medikamenteneinnahme für
sein Wohlergehen hat, etwa Schädigungen der Nieren
usw.
- Wir raten dem Bewohner, bis
zum Abklingen der Symptome strikte Bettruhe zu
halten.
- Wir machen Bewohnerinnen auf
die richtige Waschrichtung und Abputzen z. B. nach
einem Toilettengang aufmerksam: immer von der
Symphyse zum Anus.
- Wir versorgen den Bewohner
mit warmer Unterwäsche und insbesondere angemessen
schützenden Socken.
- Es ist darauf zu achten, dass
ein Erkrankter (auch kurzfristig) keiner Kälte
ausgesetzt wird.
- Wir sorgen für eine gute
Versorgung mit Inkontinenzmaterial und sichern eine
angemessene Intimhygiene.
- Wir raten dem Bewohner, bei
Harndrang unverzüglich die Toilette aufzusuchen.
Wenn der Bewohner nur eingeschränkt mobil ist, wird
er ermuntert, unverzüglich per Klingel eine
Pflegekraft zu rufen.
- Wir führen auf Wunsch warme
Fußbäder durch. Diese führen neben der Erwärmung der
Füße auch zu einer reflektorischen besseren
Durchblutung des Uro-Genitalbereiches. Dabei
Kontraindikationen beachten wie etwa eine arterielle
Verschlusskrankheit.
- Wir stehen dem Bewohner stets
für ein Gespräch zur Verfügung. Wir zerstreuen etwa
Ängste, dass der unfreiwillige Harnabgang ein
Vorzeichen für eine dauerhafte Inkontinenz ist.
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Ernährung |
- Wenn die Nierenfunktionen
nicht eingeschränkt sind und keine sonstigen
Kontraindikationen wie etwa eine Herzinsuffiziens
vorliegen, wird der Bewohner ermuntert, viel
Flüssigkeit zu trinken. Wenn möglich sollte der
Bewohner 2 bis 3 Liter trinken, davon rund 0,5 Liter
spezielle Arzneitees wie etwa:
- Brennnesselblätter
- Kamillenblüten
- Birkenblätter
- Bärentraubenblätter
- Wenn eine orale Aufnahme
nicht möglich ist, prüfen wir eine
Flüssigkeitszufuhr per Infusion.
- Der Bewohner wird vitamin-
und eiweißreich ernährt.
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Verhalten bei
Urosepsis (veraltet: "septisches Harnfieber") |
- Wir achten auf Symptome, die
für eine Urosepsis sprechen:
- Fieber
- Schüttelfrost
- Tachykardie
- Tachypnoe
- Desorientierung
- Oligurie oder gar Anurie
- zunächst noch warme,
später dann kalte Haut
- Kreislaufschock
- Wenn es hinreichende
Anzeichen für eine Urosepsis gibt, wird unverzüglich
der Notarzt gerufen.
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Nachbereitung: |
- Alle Beobachtungen werden
sorgfältig dokumentiert und dem Arzt mitgeteilt.
- Der Bewohner wird - ggf.
erneut - über alle Verhaltensregeln aufgeklärt, um
eine Infektion in Zukunft zu vermeiden.
- Wenn derartige Infektionen
gehäuft auftreten, wird von der Hygienebeauftragten
überprüft, ob Hygienemängel bei der Pflege dafür
verantwortlich sind. Ggf. werden Pflegevisiten
durchgeführt.
- Jede Blasenentzündung, die
nicht nach zwei Wochen ausgeheilt ist, erfordert
eine gründliche fachärztliche Untersuchung.
- Wenn bei Männern gehäuft
Harnwegsinfektionen auftreten, lassen wir
überprüfen, ob der Harnweg durch Steine oder eine
Prostatavergrößerung versperrt ist.
- Wenn bei Frauen gehäuft
Harnwegsinfektionen auftreten, lassen wir
überprüfen, ob ein Östrogenmangel dafür
verantwortlich ist.
- Ggf. wird die Pflegeplanung
angepasst.
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Dokumente: |
- Berichtsblatt
- Vitalzeichenkontrollblatt
- ggf. Fieberkurve
- Trinkprotokoll /
Bilanzierungsbogen
- Durchführungsnachweis
- Leistungsnachweis
medizinische Pflege
- Fragen an den Arzt
- Pflegeplanung
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Verantwortlichkeit /
Qualifikation: |
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